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Ein Zoo hat zu Belehrung, Forschung und Naturschutz beizutragen

(Leserbrief im Tages Anzeiger 3. April 2002)

Bereits vor rund 40 Jahren schrieb der Zoodirektor Professor Heini Hediger, der "Gründer" der modernen Tiergartenbiologie: "Ein Tiergarten, der nichts beiträgt zu den drei bedeutsamen Forderungen Belehrung (Education), Forschung und Naturschutz ist eben kein Zoo im heutigen Sinne, sondern lediglich ein Garten mit Tieren – und das ist etwas völlig anderes".

Die meisten Wildtierhaltungen in der Schweiz sind auch heute noch solche "Gärten mit Tieren" und keine modernen "Zoos". Nach dem Willen des Bundesamt für Veterinärwesen (BVET) wird das auch so bleiben und die Initiative des Schweizer Tierschutz STS, "Tierschutz – JA!", wird daran leider auch nicht ändern. Grössere Gehege, die dem "natürlichen Lebensraum weitgehend entsprechen", sind nur eine Minimalforderung an eine moderne Wildtierhaltung. 10 x 15 m (= 150 m2) Lebensraum für zwei Bären, wie sie in der erst im letzten Jahr überarbeiteten, gültigen Tierschutzverordung verlangt werden, kann man nur als Gefälligkeit des BVET an die Kleinzoos verstehen. Die Spezialisten der Europäischen Zoovereinigung (EAZA) forderten schon vor einigen Jahren eine Mindestfläche von 300 m2 für einen Bären, denn in kleineren Gehegen lassen sich Verhaltensstörungen (Stereotypien) der Tiere nicht verhindern. Bei einem Paar, das während der Jungenaufzucht getrennt gehalten werden muss, wären das entsprechend zwei mal mindestens 300 m2! Diese Anforderung erfüllt übrigens auch das von Peter Schlup vom STS als gutes Beispiel erwähnte, neue Braunbärengehege im städtischen Wildpark Langenberg nicht.

Mit der Unterzeichnung und Ratifizierung der UNO Artenschutz-Konvention von Rio 1992 hat sich die Schweiz unter anderem auch verpflichtet, geeignete Einrichtungen für seriösen, wissenschaftlichen Artenschutz ex situ, d.h. ausserhalb des natürlichen Lebensraumes – eben in Gefangenschaft – zu unterhalten (Artikel 9 der Konvention).

Wo sonst, wenn nicht in Zoos sollte dies, soweit es grössere Tiere betrifft, möglich sein? Das Vertrauen des BVET auf die Eigeninitiative der grossen Zoos in dieser Hinsicht ist ziemlich naiv und genügt keinesfalls. Alle Zoos, auch die Kleinzoos, müssen gesetzlich verpflichtet werden, sich an wissenschaftlichen Artenschutz zu beteiligen und entsprechende Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben, denn jede andere Art von Wildtierhaltung in Gefangenschaft zeugt von einer gewissen Respektlosigkeit gegenüber den Tieren und der Natur und schadet damit letztendlich dem Naturschutz! In der EU wurde das erkannt und entsprechende Gesetze werden noch in diesem Jahr in Kraft treten. Und es gibt sogar Zoodirektoren, die dies begrüssen, weil dadurch die Zoos endlich eine anerkannte Legitimation erhalten und sich möglicherweise auch neue Finanzierungsmöglichkeiten ergeben.

Ob Bundesrat Couchepin weiss, dass die in seinem Departement entstandene Tierschutzverordnung und der Entwurf für das neue Tierschutzgesetz in diesem wesentlichen Punkt nicht EU-kompatibel sind? Ich wundere mich, dass sich weder das BUWAL, noch die nichtstaatlichen Naturschutzorganisationen für einen sinnvolle Haltung von Wildtieren im Dienste des Naturschutzes einsetzen. Sehr schade, dass die STS-Initiative nicht eine wirklich zeitgemässe, artgerechte und sinnvolle Haltung von Wildtieren in Zoos fordert.

Dr. Mark Fischbacher, ZooLogic, Zürich

 

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